Roland Kring, Vorstandssprecher und Mäzen des TSV Steinbach Haiger, stellt sich vor dem Saisonstart acht Thesen

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„Kontinuität ist das Entscheidende“

Blickt nach einem unruhigen Frühjahr optimistisch auf die kommende Saison: Steinbachs Vorstandssprecher und Mäzen Roland Kring. Foto: Björn Franz

Haiger. Hinter Roland Kring liegen ungewöhnlich unruhige Zeiten. Steht „sein“ TSV Steinbach Haiger doch gewöhnlich für unaufgeregtes Arbeiten. Doch mit dieser Ruhe war es Anfang Mai durch den verkündeten Abschied von Sport-Geschäftsführer Matthias Georg, den es nach acht Jahren beim TSV zu den Kickers Offenbach zog, schlagartig vorbei. Auf diesen Paukenschlag folgte Anfang Juni fast der nächste: Drohte doch auch noch der Absprung des erst im Winter verpflichteten Trainers. Ersan Parlatan, nach Georgs Abgang zusätzlich für die Kaderplanung zuständig, hatte ein Angebot des türkischen Zweitligisten Samsunspor vorliegen, das er gerne angenommen hätte. Doch den zweiten herben Verlust auf der sportlichen Kommandobrücke konnte Kring und Co. abwenden. Dennoch herrschte plötzlich Ungewissheit am Haarwasen. Wie stellt sich der Verein ohne die Transfergeschicke von Matthias Georg für sein achtes Regionalliga-Jahr auf? Kann ein Trainer, der schon fast weg war, die Ambitionen des TSV erfüllen? Oder müssen in Haiger künftig kleinere Brötchen gebacken werden? Wir haben Roland Kring vor der anstehenden Saison 2022/2023 mit acht Thesen konfrontiert.

„Aus meiner Sicht hat dieses Team die große Chance, nicht nur oben mitzuspielen.”

Roland Kring über die Ambitionen in der neuen Spielzeit.

These 1: Durch den überraschenden Abgang von Sport-Geschäftsführer Matthias Georg und die Offerte für Trainer Ersan Parlatan von Samsunspor waren Sie, Herr Kring, beim TSV Steinbach Haiger zuletzt mehr als Krisenmanager denn als Vorstandssprecher gefordert.

„Ja, dem muss ich zustimmen. Das Angebot für den Trainer kam aber noch überraschender als Matthias Georgs Abschied. Dennoch musste ich nach acht Jahren der guten Zusammenarbeit auch darüber erst einmal eine Nacht schlafen. Als ich mich gerade damit abgefunden hatte, kam im Urlaub die Nachricht über das Angebot für Ersan Parlatan. Von dieser Offerte habe ich auch erst durch die Meldungen im Internet erfahren. Ich dachte erst, das kann überhaupt nicht sein, weil wir erst wenige Tage zuvor begonnen hatten, gemeinsam am Kader für die neue Saison zu basteln und Ersan dabei voller Euphorie war. Es hat sich dann aber bewahrheitet und der Trainer hätte dieses Angebot auch gerne angenommen. Ich möchte aber klar betonen, dass die Art und Weise, wie wir davon erfahren haben, nicht Ersan Parlatans Stil ist. Dennoch war das ein Dämpfer. Ich habe dann mehrfach mit Ersan, der ja ebenfalls im Urlaub war, telefoniert und die Dinge geklärt. Er hatte dann auch die Einsicht, dass sein Abgang für den TSV, egal ob wir wenig oder viel Ablöse bekommen hätten, eine ganz bittere Nummer gewesen wäre. Klar wäre es für uns trotzdem irgendwie weitergegangen, aber zwei Führungspositionen neu besetzen zu müssen, hätte der Gesamtqualität des TSV enorm geschadet. Das wäre auch für die Spieler kein gutes Signal gewesen. Auch sie merken innerhalb kürzester Zeit, wenn es auf der sportlichen Führungsebene kriselt.“

These 2: Matthias Georg war acht Jahre lang Geschäftsführer in Haiger, hat den Verein in der Regionalliga etabliert. Ohne ihn hat der Club nun aber die Chance, eingefahrene Vereinsphilosophien und Wege zu verlassen.

„Ich denke schon, dass darin eine Chance liegt. Aus meiner Sicht hat zuletzt der Blick für den Gesamtverein ein wenig gelitten. Natürlich hat die Regionalliga-Mannschaft wirtschaftlich und in puncto Stellenwert Priorität. Aber es gibt auch noch die zweite Mannschaft und die breit aufgestellte Jugend. Ein erster Schritt dahin war der Familientag zum Trainingsauftakt. Kurz nach Matthias Georgs Abschiedsverkündung habe ich mich als Vorstandsmitglied schon stärker miteingeklinkt und gemerkt, dass es sehr viel Spaß macht, bei den Gesprächen mit Arne Wohlfarth und Ersan Parlatan sowie potenziellen Neuzugängen dabei zu sein und auch zu sehen, welches Konzept und welche Ideen der Trainer verfolgt. Das hat alles Hand und Fuß, dementsprechend habe ich das dann auch unterstützt. Ich bin sehr angetan von seiner Arbeit. Zumal der Umbruch in diesem Jahr deutlich konsequenter erfolgt ist als in der Vorsaison. “

These 3: Die Kaderplanung ist das zentrale Element für eine erfolgreiche Saison und sehr aufwendig. Mittelfristig braucht der TSV daher wieder einen reinen Geschäftsführer Sport und Finanzen.

„In der gleichen Form, wie Matthias Georg das gemacht hat, würde ich das mittlerweile nicht mehr so sehen. Ersan Parlatan ist zwar durch die Doppelfunktion als Trainer und Kaderplaner belasteter. Auf der anderen Seite ist es für ihn aber angenehmer, weil er bei der Kaderzusammenstellung nun die größtmögliche Freiheit hat. Ich bin der Meinung, dass man diesen Weg in Zukunft so weiter gehen kann. Matthias Georg war beispielsweise noch für den Bereich Finanzen und Controlling zuständig. Im Moment sieht es so aus, dass wir dieses Aufgabenfeld aus dem Vorstand heraus besetzen. Gösta Weber (derzeit Vorstandsbeisitzer im Bereich Finanz- und Kassenwesen, Anm. d. Red.), geht beispielsweise demnächst in den beruflichen Ruhestand und soll diesen Bereich Stück für Stück übernehmen. Arne Wohlfarth ist weiter für Spielerverträge sowie Marketing und Kommunikation zuständig.“

These 4: Nach dem Aufstieg in die Hessenliga kostet die zweite Mannschaft mehr Geld, das auch ins Regionalligateam gesteckt werden könnte. Dieser Aufstieg ist also mehr Fluch als Segen.

„Nein, absolut nicht. Das Budget beim damaligen Aufstieg der ersten Mannschaft von der Verbands- in die Hessenliga war beispielsweise deutlich höher. Mit diesen Erfahrungen hätte ich nie für möglich gehalten, mit dem aktuellen Budget in die Hessenliga aufzusteigen. Da muss man wirklich den Hut vor ziehen, was unser Trainerduo Maik Six und Pierre Bellinghausen da auf die Beine gestellt hat. Es ist auch nicht geplant, die zweite Mannschaft mit aller finanzieller Gewalt in der Hessenliga zu halten – verbunden mit dem Risiko, dass wir zwischen Verbands- und Hessenliga pendeln werden. Und ich denke, das ist der richtige Weg, um unseren Spielern aus der Jugend eine Perspektive bieten zu können und auch Spieler aus dem Regionalliga-Team spielen zu lassen. Deshalb profitiert der Verein vielmehr vom Aufstieg der Reserve.“

„Um den Spieler-Etat deutlich zu erhöhen, brauchen wir andere Voraussetzungen.”

Roland Kring über mögliche Mehrausgaben

These 5: Erneut hat der TSV Steinbach Haiger einen großen Kaderumbruch vollzogen. Die fehlende Konstanz kostet den Club Jahr für Jahr die Möglichkeit, den Aufstieg zu realisieren.

„Im Prinzip ist aus meiner Sicht Kontinuität das Entscheidende. Das würde ich mir aber nicht nur im Kader wünschen, sondern allen voran auf den Trainerpositionen. Denn wenn du nach zwei Jahren wieder den Trainer wechselst, setzt der Neue die Prioritäten wieder anders. Spieler, die zuvor oft gespielt haben, fallen dann durchs Raster. Das sieht man in diesem Sommer bei uns ganz gut. Da gab es Positionen, auf denen wir nicht hätten handeln müssen, aber Ersan Parlatan wollte es gerne. Das kann ich aber auch gut nachvollziehen, schließlich braucht der Trainer Spieler, von denen er überzeugt ist und die zu seinem System und seiner Spielweise passen. Deshalb muss man anfangen, beim Trainer Kontinuität reinzubringen, dann wird der Spieler-Kader automatisch stabiler werden.“

These 6: Das Samsunspor-Angebot hat es gezeigt: Trainer Ersan Parlatan, der mit viel Aufwand den Kader in diesem Sommer nach seinen Wünschen umgekrempelt hat, ist spätestens im nächsten Sommer Geschichte am Haarwasen und der Kaderumbruch beginnt von Neuem.

„Auf dieser Position würde ich mir wie gesagt Kontinuität wünschen, und das habe ich auch vor ein paar Wochen Ersan Parlatan selbst gesagt. Auch meine Vorstandskollegen, die in diesem Sommer intensiv mit ihm zusammengearbeitet haben, können sich das gut vorstellen. Diese Botschaft hat er aufgenommen. Wir wissen aber auch, dass Ersan Drittliga-Ambitionen hat. Wenn wir den Weg mit ihm gehen wollen, sind wir als Verein auch in der Pflicht, ihm die Plattform im Rahmen unserer Möglichkeiten zu schaffen, damit er diese Chance auch verwirklichen kann. Auf dieser Basis weiter zusammenzuarbeiten wäre für den TSV Steinbach auf jeden Fall ein Gewinn.“

These 7: Der Spieler-Etat des TSV ist für die neue Spielzeit kleiner geworden. Ein Ausrufezeichen, endlich den Sprung in die 3. Liga schaffen zu wollen, sieht anders aus.

„Das Gesamtbudget des Vereins ist durch die Baumaßnahmen in Steinbach mit dem fast schon überfälligen neuen Kunstrasenplatz sowie der Sanierung des Sportheims auf knapp drei Millionen im Vergleich zum Vorjahr (2,65 Millionen, Anm. d. Red.) sogar gestiegen. Beim reinen Spieler-Etat reden wir von – auf das Jahr gerechnet – nicht ganz 50000 Euro weniger. Wir sind also fast auf dem Niveau des Vorjahres. Um den Spieler-Etat deutlich zu erhöhen, brauchen wir aber andere Voraussetzungen. Das können wir machen, wenn wir eine deutliche Kontinuität im Kader haben. Momentan basteln wir eigentlich alle zwei Jahre einen neuen Kader zusammen, da bleibt vieles Stückwerk. Die Liga-Spitze zu erreichen, ist es in erster Linie keine Frage des Geldes, sondern vielmehr der Frage, wie gut der Kader schon personell aufgestellt ist, wie gut dieser mit dem Trainerteam harmoniert und ob es dann Sinn ergibt, noch einmal mehr Geld für punktuelle Verstärkungen in die Hand zu nehmen. Es muss ein Grundvertrauen untereinander von allen handelnden Personen im Verein herrschen.“

These 8: Der Verein setzt die Verjüngung des Kaders, die bereits vergangenen Sommer angekündigt wurde, in diesem Sommer radikal um. Gleichzeitig hat der TSV Stammkräfte wie Topscorer Dennis Chessa, Spielgestalter Jannes Wulff oder Kapitän David Al-Azzawe nicht halten können. Der TSV Steinbach Haiger ist nicht länger ein Spitzenteam, sondern ein Ausbildungsverein und muss künftig kleinere Brötchen backen.

„Nein, das würde ich so nicht unterschreiben. Der Trainer hat vielmehr junge Spieler geholt, die er für sein Spielsystem formen und dafür begeistern kann. Nach den ersten zwei, drei Trainingstagen haben wir und die Spieler selbst gemerkt, dass da eine richtig gute Truppe auf dem Platz steht. Das war eine positive Überraschung und das schafft eine positive Grundhaltung. Zudem haben wir im Team auch noch ein paar, ich sage jetzt mal, mittelalte Fußballer, und ein paar abgezockte, alte Hasen. Und vor allem haben wir ein paar Jungs, die wissen, wie man in die 3. Liga aufsteigt. Wenn dieser Mix greift, können sich die Jüngeren ein gutes Stück weiterentwickeln. Und warum soll diese Weiterentwicklung nicht am Saisonende für die gesamte Mannschaft den nächsten Schritt bedeuten? Ich hatte noch nie so ein gutes Bauchgefühl wie in diesem Sommer bei einer Mannschaft des TSV Steinbach Haiger. Das habe ich den Spielern auch so gesagt. Aus meiner Sicht hat dieses Team die große Chance, nicht nur oben mitzuspielen, sondern am Ende auch ganz oben zu stehen.“ Tim Georg
  

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