Interview mit Dr. Hackenberg, IHK-Bereichsleiter Aus- und Weiterbildung

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"Die Wirtschaft bildet aus"

Auf den Ausbildungs- und Studienmessen können sich Schülerinnen und Schüler ausgiebig informieren und mit Unternehmen direkt in Kontakt treten. Foto: IHK Lahn-Dill

Ukraine-Krieg, steigende Energiepreise, Inflation - wie wirkt sich die aktuelle Krise auf den Ausbildungsmarkt aus?

Dr. Gerd Hackenberg: Gar nicht. Im Gegenteil. Die Wirtschaft bildet nach wie vor aus - auch in Krisenzeiten, zum Teil mehr denn je. Denn die Zahl unbesetzter Stellen steigt stetig - vor allem aufgrund einer veränderten Altersstruktur in der Bevölkerung. Die starken Jahrgänge der Babyboomer-Generation verlassen den Arbeitsmarkt und gehen in Rente. Zahlenmäßig kommen nicht ausreichend neue Arbeitskräfte nach. Es werden immer weniger Kinder geboren, der Stellenmarkt wird aber nicht kleiner. Der Fachkräftemangel steht bei unseren Umfragen seit Jahren auf einem traurigen Spitzenplatz im Risikoranking der Unternehmen. Anders ausgedrückt: Die Chancen für junge Menschen, den Ausbildungsplatz ihrer Wahl zu bekommen und damit den Einstieg in ihren Traumberuf zu finden, standen noch nie so günstig.

Trotzdem ziehen viele junge Menschen heute eine akademische der dualen Ausbildung vor. Wie können Unternehmen junge Menschen auf sich aufmerksam machen?

Wir beobachten seit Jahren, dass die herkömmlichen Wege über die weiterführenden Schulen und die Berufsberatung allein nicht mehr ausreichen, junge Menschen von der Wertigkeit einer dualen Ausbildung zu überzeugen. Unternehmen müssen sich heute etwas einfallen lassen, um potenzielle Bewerber zu erreichen. Dazu sollten Betriebe zusätzlich unbedingt auf digitale Medien setzen. Im besten Fall ist der Webauftritt eines Unternehmens so gestaltet, dass er nicht nur Kunden, sondern auch junge Menschen auf Ausbildungsplatzsuche anspricht. In einem eigens eingerichteten Ausbildungsbereich können die Vorteile einer Ausbildung im Unternehmen dargestellt werden, am besten unterfüttert mit Tipps, wie die Bewerbung aussehen sollte, und was auf potenzielle Bewerber in einem Bewerbungsgespräch zukommt.

Nach wie vor sind vielen Schülern und Eltern die Karrieremöglichkeiten und Aufstiegsoptionen der beruflichen Bildung völlig unbekannt. Was kann man da tun?

Dr. Hackenberg: Es stimmt, die formale Gleichwertigkeit von beruflichen und akademischen Bildungswegen wird von Jugendlichen, Eltern und Lehrkräften nicht ausreichend wahrgenommen. Damit beide Bildungswege gesellschaftlich und wirtschaftlich die gleiche Wertschätzung erfahren, müssen die Verdienst- und Karrierechancen durch die duale Ausbildung transparent gemacht werden. Wir arbeiten derzeit daran, dass die Schülerinnen und Schüler in unserer Region aktiv an mindestens zwei Veranstaltungen zur Berufsorientierung teilnehmen und diese verbindlich im Unterricht bearbeiten müssen. Außerdem möchten wir unter anderem verbindliche, plan- und regelmäßig stattfindende Beratungen und Infoveranstaltungen an Schulen. In einigen Schulen läuft das schon hervorragend. Erste Erfolge haben wir im vergangenen Jahr gesehen: Mit fünf Prozent mehr Ausbildungsverträgen als im Jahr zuvor sind die heimischen Unternehmen in das neue Ausbildungsjahr gestartet. Zum 31. Dezember 2022 konnten wir bei der IHK Lahn-Dill 1132 neue Ausbildungsverträge registrieren, 2021 waren es zu diesem Zeitpunkt 1064. Das verbuchen wir als Aufwärtstrend.

Wann sollten Unternehmen mit der Suche nach geeigneten Auszubildenden beginnen?

So früh wie möglich. Je eher ein Unternehmen mit der Suche beginnt, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, richtig gute Bewerber zu finden.

In der Phase der Bewerbung gehen die meisten potenziellen Bewerber noch auf eine allgemeinbildende Schule. Wie sorgt die IHK dafür, dass die Unternehmen mit den Schulen in Kontakt kommen?

An den allen weiterführenden Schulen gibt es in der Regel Lehrer, die für die berufliche Orientierung zuständig sind. Wir von der IHK Lahn-Dill vermitteln Kontakte in die Schulen und möglichst auch zu den zuständigen Lehrkräften. Regelmäßig bieten wir Unternehmen in unserem Kammerbezirk Möglichkeiten an, mit Schülern in Berufsorientierungsprojekten in Kontakt zu treten.

Wie wichtig sind Praktika?

Praktika sind das Herz der Berufsorientierung. Wer während eines Praktikums zusammenfindet, ist so schnell nicht wieder zu trennen. Leider konnten Schulen und Unternehmen durch die Pandemie viele Schulpraktika nicht durchführen. Um dennoch schnell und unbürokratisch praktische Erfahrungen sammeln zu können, haben wir 2021 die Aktion Schnupperpraktika ins Leben gerufen, die weiter genutzt werden kann. Mit diesen meist zwei Tage dauernden Praktika können junge Menschen jederzeit unabhängig von Schulpraktika in viele Berufe in der heimischen Wirtschaft schnuppern. Die Schüler können sich in den Unternehmen vor Ort über Ausbildungsberufe informieren, mit Auszubildenden und Personalleitern sprechen. Mitgliedsunternehmen, die Schnupperpraktika im Kammerbezirk an Lahn und Dill anbieten wollen, können sich bei der IHK Lahn-Dill melden.

Die Kammer hilft bei der Vermittlung und listet unter anderem die anbietenden Unternehmen mit Berufsbildern, Ansprechpartnern und weiteren Kontaktmöglichkeiten auf einer eigens eingerichteten Seite unter www.ihk-lahndill.de auf. In regelmäßigen Abständen bewerben wir die Offensive auch zielgruppenspezifisch in den sozialen Netzwerken.

Welche Chancen bieten die Ausbildungs- und Studienmessen der IHK?

Eine sehr große Chance. Hier haben Unternehmen an nur zwei Tagen die Möglichkeit, sämtliche Schülerinnen und Schüler ab der Klasse 8 fast aller weiterführenden Schulen der Region zu erreichen. Unternehmen, die mit einem Stand auf den Messen präsent sind, treffen hier in der Regel erste Absprachen für einen Besuch im Betrieb und geben konkrete Tipps für die Bewerbung. Azubis am Messestand erzählen den Schülern von ihren eigenen Erfahrungen. Dieser Austausch ist Gold wert. Denn Mund-zu-Mund-Propaganda in der jungen Generation ist der Türöffner für die duale Ausbildung.

Das Interview führte Iris Baar von der IHK.


Im Lebenslauf gerne Profil zeigen

Bewerber sollten sich im Vorfeld überlegen, mit was sie überzeugen und Eindruck machen können

Personal-Manager entscheiden sich in wenigen Sekunden für einen Bewerber oder gegen ihn.

Das schien schon Leonardo da Vinci zu ahnen: Als er sich vor 540 Jahren um eine Stellung am Hofe der Familie Sforza - der reichen Herzöge von Mailand - bewarb, verließ er sich nicht nur auf ein Empfehlungsschreiben. Er listete genialerweise alle seine bisherigen Projekte auf und wies so auf seine besonderen Begabungen und Leistungen hin. Diese Aufzählung dürfte sehr lang geworden sein. Der moderne Lebenslauf sollte jedoch nicht mehr als zwei Seiten umfassen.

,,Womit kann ich Eindruck machen" lautet auch heute der Grundsatz. Deshalb nicht bescheiden sein und die besonderen Stärken und Erfolge gleich am Anfang in einer eigenen Rubrik zusammenfassen. Der Lebenslauf sollte sich immer auf das Wesentlichste konzentrieren und trotzdem vollständig lückenlos sein.

In der Regel reicht ein tabellarischer Curriculum Vitae, manchmal wird aber auch ein ausführlicher verlangt (für Stipendien bei Stiftungen). In jedem Fall gilt: Er wird antichronologisch aufgebaut, beginnend mit der aktuellsten Berufserfahrung, dem jüngsten professionellen Projekt. Danach folgen erst Aus- und Weiterbildungen - immer in Bezug zur Bewerbung.

Auch eine kurze Liste relevanter privater Engagements oder persönlicher Interessen kann bei Personalern zu einem entscheidenden Argument für genau diesen Bewerber werden. Wer sich gönnen berufliche Pausen musste, kann das mit positiven Worten begründen und seine Weiterentwicklung darstellen: ob Sabbatical, schwere Krankheit oder Arbeitslosigkeit. Am Ende muss der Lebenslauf immer unterschrieben werden.

Individuell und übersichtlich

Wer den Lebenslauf noch in ein individuelles und übersichtliches Layout stellt, erhöht seine Chance, zu überzeugen. (txn)


Lebenslanges Lernen ist gefragt

Arbeitsagentur Limburg-Wetzlar bietet Berufsberatung im Erwerbsleben

Wegen der zunehmenden Digitalisierung und Technisierung wird sich die Arbeitswelt in vielen Unternehmen gravierend verändern. Aufgaben fallen weg, neue kommen hinzu. Diese Entwicklungen führen dazu, dass sich viele Menschen - teilweise auch mehrmals innerhalb ihres Erwerbslebenseiner berufliche Neu-beziehungsweise Umorientierung stellen müssen. Insbesondere für diesen Personenkreis hat die Agentur für Arbeit ein neues, bundesweites Beratungsangebot geschaffen: die „Berufsberatung im Erwerbsleben (BBIE)". Die Beratungsfachkräfte unterstützen bei der Identifizierung und Entwicklung neuer beruflicher Ziele. Sie beraten zu Möglichkeiten der Umsetzung und begleiten die Realisierung. Berufliche Weiterbildung kann dabei ein wichtiges Instrument sein. Das Angebot an Weiterbildungsmöglichkeiten und deren Anbietern ist äußerst vielfältig. Es gibt verschiedene Plattformen, auf denen Weiterbildungsangebote (berufsfachlich, Fremdsprachen, IT, Soft Skills und andere) zu finden sind. Auch hier gibt die BBIE Orientierung im ,,Bildungsdschungel" und zeigt finanzielle Fördermöglichkeiten, auch außerhalb der Bundesagentur für Arbeit (BA), auf. Die BBIE der Arbeitsagentur Limburg-Wetzlar ist telefonisch unter 06441909705 oder per E-Mail an Limburg-Wetzlar.BBIE@arbeitsagentur.de erreichbar. Weitere Informationen gibt es unter: www.bit.ly/3HTe2xa. (BA)

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