Ohne Kaderplaner Matthias Georg, aber mit vielen neuen Gesichtern geht der TSV Steinbach Haiger ein klares Ziel an

ANZEIGE

Am Haarwasen weht ein frischer Wind

Der TSV Steinbach Haiger vor der Saison 2022/2023: (vierte Reihe v.l.) Donny Bogicevic, Paul Stock, Arif Güclü, Ivan Mihajlevic, Leon Ampadu, Henri Weigelt, Benjamin Kirchhoff, Dino Bisanovic; (dritte Reihe v.l.) David Nieland, Sasa Strujic, Hüsni Tahiri (Co-Trainer), Ersan Parlatan (Cheftrainer), Lars Birlenbach (Co-Trainer), Marcel Richter (Torwarttrainer), Alexander Bülow (Athletiktrainer), Franck Tehe, Manuel Kober; (zweite Reihe v.l.) Tim Kircher, Daniele Gabriele, Marco Klee (Zeugwart); Björn Franz (Zeugwart und Vereinsfotograf), Arne Wohlfarth (Geschäftsführer), Andreas Engel (Vorstand Sport), Frank Hass (Physiotherapeut), Shohei Nozawa (Physiotherapeut), Sören Eismann, Lloyd-Addo Kuffour; (erste Reihe v.l.) Dennis Owusu, Serkan Firat, Gianluca Korte, Angelo Tramontana, Markus Scholz, Kevin Ibrahim, Christian März, Enrique Pereira da Silva, Jonas Singer. Es fehlen: Raphael Herrmann (Physiotherapeut), Celal Aydogan, Yannick Langesberg, Mick Gudra und Nino Miotke. Foto: TSV Steinbach Haiger

Haiger. Alles neu macht der Sommer am Haarwasen, wenn sich der TSV Steinbach Haiger auf die anstehende Saison in der Fußball-Regionalliga Südwest vorbereitet und dafür fast schon traditionell seinen Kader umkrempelt. 14 neue Gesichter begrüßte Cheftrainer Ersan Parlatan im Laufe der Vorbereitung, zugleich haben rund ein Dutzend Spieler den Club verlassen. Der Kader wuchs damit im Vergleich zur Vorsaison noch einmal an.

„Wir haben eine gute Infrastruktur und professionelle Bedingungen. Daher wollten wir uns bewusst Verjüngen, um diesen jungen Spielern auch die Chance zu geben, von diesen Voraussetzungen zu profitieren.”

TSV-Trainer Ersan Parlatan über die Verjüngung des Kaders.

Doch es ist bei Weitem nicht das einzig Neue in Haiger vor der nunmehr bereits achten Regionalliga-Saison in Folge. Mitte Mai wurde klar, dass mit Sport-Geschäftsführer Matthias Georg der entscheidende Kaderplaner den Club nach acht Jahren verlassen wird. Für ihn übernahm neben Geschäftsführer Arne Wohlfarth allen voran Trainer Parlatan die Kadergestaltung. Mit Leidenschaft, Ehrgeiz, Akribie und viel frischem Wind. Etwaige Befürchtungen, der 45-jährige Coach würde einen Alleingang bei der Neugestaltung wagen, oder der Verein sei nach dem Abgang von Georg orientierungslos, zieht der Trainer entschieden den Stecker. „Ich habe jeden Transfer stets in Absprache mit Arne Wohlfarth und Roland Kring getätigt. Mir wurde zugleich auch kein Spieler vor die Nase gesetzt.“

Der Cheftrainer, der für dominanten Ballbesitz-Fußball, aber auch hohes Pressing und strukturierte Defensiv-Absicherung steht, gestaltete den Kader dabei passend zu seiner Spielphilosophie – und ohne Kompromisse. „Vor allem im Offensivbereich habe ich darauf geachtet, dass wir Spieler mit Tempo verpflichten“, so der Coach. Ehrgeizig, motiviert, lernwillig und vor allem jung sollte ein Großteil der Neuzugänge zudem sein. „Wir haben eine gute Infrastruktur und professionelle Bedingungen. Daher wollten wir uns bewusst verjüngen, um diesen jungen Spielern auch die Chance zu geben, von diesen Voraussetzungen zu profitieren.“ Satte neun der 14 Zugängen sind 21 Jahre oder jünger. „Das haben wir auch in dem Bewusstsein getan, dass die Jüngeren Zeit brauchen, um sich an die hohe Trainingsintensität, den erhöhten Trainingsumfang und letztendlich auch den höheren Konkurrenzkampf sowie die Drucksituation zu gewöhnen. Wir im Trainerteam investieren diese Zeit mit ihnen und geben ihnen diese Entwicklungszeit, auch deshalb ist der Kader so groß“, erklärt der gebürtige Berliner, für den auch die zweite Mannschaft des TSV durch den Hessenliga-Aufstieg als Bindeglied und Möglichkeit für die jungen Akteure, Spielpraxis zu sammeln, eine große Rolle spielt.

Für Tempo und Torgefahr im letzten Drittel sollen beispielsweise die Flügelflitzer Dennis Owusu (21, FC Gießen) und Franck Tehe (20, Schalke 04 II) sorgen. Der ebenfalls aus Gießen gekommene Donny Bogicevic befindet sich nach seiner Hüft-Operation zwar noch im Aufbautraining, ist aber ebenfalls vorne flexibel einsetzbar und torgefährlich. Lloyd Kuffour (20, Optik Rathenow) soll dagegen dem „ewigen“ Sasa Strujic auf der Linksverteidiger-Position Dampf machen. Bleibenden Eindruck in der Vorbereitung hinterließ aber vor allem der ebenfalls erst 20-jährige Leon Ampadu (FK Pirmasens). „Ich war sehr, sehr positiv überrascht, wie weit er schon ist“, freut sich Parlatan über den Glücksgriff. Doch nicht nur im Spielerkader, sondern auch im Trainerteam setzt der TSV auf viele neue, junge Gesichter. Für Torwarttrainer Sascha Rausch, der Georg nach Offenbach folgte, kam Marcel Richter (46) vom FSV Frankfurt. Für Glücksgriff Alex Ryan, dessen gute Arbeit als Athletikcoach auch Wehen Wiesbaden nicht verborgen blieb, übernahm Alexander Bülow (26). Zudem wurde mit Lars Birlenbach (25) ein zweiter Co-Trainer an der Seite von Hüsni Tahiri installiert. Und auch hier ging Parlatan mit Überzeugung vor. „Lars und Alex sind junge, hochmotivierte Trainer, die beim TSV ihren nächsten Schritt gehen, Erfahrung sammeln, aber natürlich auch Fehler machen. Ich kann damit gut umgehen, werde ihnen nie einen Vorwurf machen, solange sie sich ihren Hintern aufreißen, Gas geben und aus ihren Fehlern lernen“, so der Cheftrainer.

Ersan Parlatan weiß aber auch, dass es nur mit einer jungen, wilden Truppe in der Regionalliga nicht getan ist. Um die Balance im Kader zu halten und die die schmerzhaften Abgänge von Topscorer Dennis Chessa (SSV Ulm) sowie Impulsgeber Jannes Wulff (VfL Osnabrück) zu ersetzen, setzt Steinbach auf die Routine von Gianluca Korte (31, Wehen Wiesbaden) und Serkan Firat (28, Kickers Offenbach). Zudem wurde mit Arif Güclü (29, FSV Frankfurt) endlich ein waschechter Strafraumstürmer verpflichtet, der allerdings den Großteil der Vorbereitung verletzungsbedingt verpasste. Jüngst wurde zudem auch in der Innenverteidigung nachgerüstet, obwohl dort bereits beide Positionen doppelt besetzt waren.

„Meine Ziele und die Ziele des Vereins überschneiden sich. Mit Sicherheit können wir hier etwas aufbauen.”

Ersan Parlatan über seine Zukunft beim TSV Steinbach Haiger.

„Ich war in der Vorbereitung nicht zufrieden. Ich möchte einen Typ Innenverteidiger, der mehr kommuniziert, der mehr Verantwortung und eine Führungsrolle übernimmt.“ Mit Yannick Langesberg von Rot-Weiß Essen, den Parlatan bereits zu Beginn der Vorbereitung auf dem Zettel hatte, der aber erst vor Kurzem die Freigabe des Drittliga-Aufsteigers erhalten hatte, ist nun auch der neue Abwehrchef und Nachfolger von David Al-Azzawe gefunden. Weil nun nahezu jede Position im TSV-Kader mindestens mit zwei Akteuren besetzt ist, macht der Trainer keinen Hehl daraus, dass es zu Unzufriedenheit kommen kann. „Jeder Spieler muss sich hinterfragen, ob es Sinn macht, den Weg beim TSV weiter mitzugehen oder sich neu auszurichten. Noch können sich Spieler umschauen (Transferfenster schließt Ende August, Anm. d. Red.).“

Ein nichtsdestotrotz großer Kader, viele junge Spieler, die Fehler machen oder in ein Leistungstief fallen können, dazu noch ein größtenteils neues, relativ unerfahrenes Trainerteam. Die Haigerer riskieren bei ihrer Neuausrichtung ohne Matthias Georg viel. Hinzu kommen Vorbereitungsspiele, die zwar, gerade gegen Wehen Wiesbaden (0:1), als der Regionalligist dem etablierten Drittligisten mehr als nur Paroli bot, einiges an Licht offenbarten, aber wenig Erkenntnisse über den tatsächlichen Leistungsstand gaben. Denn zu groß waren die Verletzungssorgen. Teilweise fehlten dem TSV zehn Spieler, darunter langwierige Ausfälle wie Güclü, Gianluca Korte (Außenbandriss im Knöchel), Tim Kircher (Schulter) sowie allen voran Daniele Gabriele (Kreuzbandriss). Diese sorgten vor allem dafür, dass es der Offensive noch an Abstimmung mangelt und die nötige Zielstrebigkeit im Abschluss noch ein Manko darstellt. Dennoch strahlt der Trainer großen Ehrgeiz, große Vorfreude und große Lust auf diese Aufgabe aus und wischt zudem etwaige Bedenken weg, er wäre nach der Offerte des türkischen Zweitligisten Samsunspor Anfang Juni gedanklich im Absprungmodus.

„Ich weiß, wie ich bin. Manchmal sagt man mir nach, dass ich kalt und arrogant wirke. Das stimmt aber nicht. In erster Linie geht es mir darum, dass ich hier ein erfolgreiches Team auf den Platz bringe. Darauf liegt mein voller Fokus und dem ordne ich auch privat alles unter. Daher soll es mir niemand übel nehmen, wenn ich den ein oder anderen mal nicht grüße. Ich bin ein ehrgeiziger Trainer und will in meiner Karriere noch höher trainieren. Und meine Ziele und die Ziele des Vereins überschneiden sich. Mit Sicherheit können wir hier etwas aufbauen. Und das ist manchmal mehr wert als zu einem Club in einer höheren Liga zu wechseln. Deswegen bin ich momentan sehr glücklich hier und weiß, was ich in Steinbach habe. Und deshalb kann ich mir auch eine Zusammenarbeit über die Saison 2023 hinaus sehr gut vorstellen.“

Zum Start wartet am kommenden Samstag (14 Uhr) das Duell bei Aufsteiger SG Barockstadt Fulda-Lehnerz. Mit Mainz 05 II, dem Bahlinger SC sowie den beiden Neulingen Trier und Worms sieht Parlatan ein „grundsätzlich machbares Auftaktprogramm, bei dem wir zusehen sollten, die maximale Ausbeute zu holen, um an unseren Zielen dranzubleiben“. Denn, und das ist in diesem Sommer ebenfalls neu am Haarwasen: „Ich weiß, wozu diese Spieler fähig sind. Deshalb habe ich ihnen gesagt, dass ich mit dem TSV Steinbach Haiger das Ziel verfolge, am Ende der Saison ganz oben zu stehen. Und ich bin absolut überzeugt, dass wir diese Qualität haben.“ Das A-Wort ist am Haarwasen also kein Tabu mehr. Tim Georg

  

Lesen Sie jetzt
Vor zwei Jahren noch in der Verbandsliga aktiv, überzeugt Leon Ampadu als kreativer und flexibel einsetzbarer Neuzugang beim TSV Steinbach Haiger auf Anhieb
Ehrgeiziges „Bewegungstalent“
Alex Bülow ist der neue Athletiktrainer des TSV Steinbach Haiger – und nebenbei Torhüter beim SSC Burg
Auf die Stimme kommt es an
Roland Kring, Vorstandssprecher und Mäzen des TSV Steinbach Haiger, stellt sich vor dem Saisonstart acht Thesen
„Kontinuität ist das Entscheidende“